Begründung
der Preisverleihung an die Preisträger 2000. "Reconstruindo a Esperança"
und "Aktion Noteingang".
Vorsitzender des Aachener
Friedenspreis
Gerhard Diefenbach
Liebe Preisträger,
liebe Freundinnen und Freunde des Aachener
Friedenspreises,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
im April, als die
Mitglieder des Aachener Friedenspreises die diesjährigen
Preisträger auswählten, lag der Beginn des
Kosovokrieges schon ein Jahr zurück. Noch immer war die
Betroffenheit zu spüren.: Wie schnell war die
Bundesrepublik Deutschland nach mehr als 60 Jahren wieder
direkt in einen militärischen Konflikt verwickelt. Wie
schnell war Krieg wieder in unmittelbare Nähe gerückt.
Wie leise war der Aufschrei in unserer Bevölkerung.
Heute wissen wir
ohne Häme -, dass das was wir schon zu Beginn des
Krieges gesehen haben, richtig war: Der Krieg hat die
Probleme der Serben und Kosovoalbaner und der anderen
dort lebenden Minderheiten, die über viele Jahre
friedlich nebeneinander gewohnt haben, nur verschärft.
Das Leid, der Hass, die Feindschaft, die Gräben und das
Mißtrauen zwischen den Kriegsparteien und den Menschen
waren am Ende größer als vorher.
Nach der Rückkehr der
Kosovoalbaner in ihre Heimatorte, vertrieben sie die dort
seit Jahrzehnten lebenden serbischen Nachbarn. Etwa 200.000
Menschen verloren ihre Heimat. Täglich wird von gewalttätigen
Übergriffen gegen Serben und andere ethnische
Minderheiten berichtet. Die NATO-Soldaten stehen dieser
Gewalt meist hilflos oder gleichgültig gegenüber. Einer
Gewalt, die sie selber durch den Krieg forciert haben.
Soldaten können keinen
Frieden schaffen, es widerspricht ihrer Methode und ist
nicht ihr Job. Die Instrumente ziviler
Konfliktbearbeitung sind einzig sinnvolle Alternative.
Der Friede in Jugoslawien
liegt in weiter Ferne.
Gleichzeitig ist heute der
innere Frieden in unserem Land gefährdet. Rechtsradikale
Gewalt gegen Ausländer und gegen Minderheiten breitet
sich seit Jahren immer offener aus. Breite Schichten der
Bevölkerung zeigen eine "still klamm heimliche"
Sympathie mit den Tätern oder schauen einfach weg.
Politiker legitimieren mit den ständigen Debatten über
das Grundrecht auf Asyl zum Teil gezielt dieses Klima.
Unsere beiden diesjährigen
Preisträger verbindet das Bemühen um eine friedliche,
bessere Zukunft ihrer Gesellschaften. Auf der einen Seite
richtet sich das Bemühen auf die Fürsorge um
Jugendliche, die Kindersoldaten in einem grausamen Bürgerkrieg
waren. Auf der anderen Seite richtet sich das Bemühen
von Jugendlichen gegen Gewalt anderer und für eine
friedliche und bessere Zukunft.
Den internationalen
Preisträger haben wir auch deshalb ausgewählt, weil er
versucht einen Weg zu zeigen, wie nach dem Krieg die
zerstrittenen Parteien ihr Leid, ihre Kriegserfahrungen,
ihre Traumata aufarbeiten können. Eine wesentliche
Voraussetzung für friedliches Zusammenleben.
Es wird der Versuch
unternommen mit der Reintegration der Kindersoldaten den
Frieden in den Dorfgemeinschaften wiederherzustellen, sie
zu versöhnen. Das Engagement von Reconstruindo a Esperanç
a geht aber weit über die medizinisch soziale und
integrative Tätigkeit hinaus. Sie beteiligen sich
intensiv am Aufbau einer zukunftsfähigen und friedlichen
Gesellschaft ihres Landes. Um dieses Ziel zu erreichen
ist die Reintegration der Kindersoldaten eine wesentliche
Voraussetzung.
Für diese Arbeit, Ihr
Engagement und für ihren persönlichen Mut gratulieren
wir Ihnen ganz herzlich liebe Lina Inglê s, Ihnen lieber
Boia Efraime und allen Ihren MitarbeiterInnen. Ich
gratuliere aber auch allen Organisationen hier in
Deutschland und anderswo, die sie in Ihrer Arbeit unterstützen.
Der nationale Preisträger
Aktion Noteingang setzt ein Zeichen für die viel
geforderte Zivilcourage. Die Aktion Noteingang, ist eine
Graswurzelbewegung ohne innere organisatorische Struktur,
die sich gegen Rassismus und rechtsradikale Gewalt wendet.
Mit ihrer Aktion wollen sie bedrohten Menschen:
Asylsuchenden, Ausländern oder anderen Minderheiten
konkrete Hilfe anbieten, wenn sie verfolgt oder
rechtsradikaler Gewalt ausgesetzt sind. Ihr Symbol "Noteingang"
an Diskotheken, Geschäften oder öffentlichen
Einrichtungen angebracht, signalisiert Verfolgten Hilfe
und Schutz vor Gewalt. Begonnen hatte die Initiative vor
etwa anderthalb Jahren in Bernau in Brandenburg. Sie hat
sich sehr schnell auf eine ganze Reihe von Städten in
den neuen Bundesländern ausgebreitet.
Ich bewundere den Mut
dieser jungen Menschen und ihre Bereitschaft, Solidarität
mit Minderheiten und Ausländern zu zeigen. Sie nehmen
dabei selbst die Bedrohung der eigenen Person in Kauf.
Sie beweisen mit ihrer Aktion aber auch, dass Jugendliche
- entgegen dem oft beschriebenen "mainstream"
sehr wohl bereit sind, sich für eine andere, eine
bessere Gesellschaft ohne Rassismus, ohne Hass und ohne
Gewalt einzusetzen und die Zukunft ihre Zukunft
selbst in die Hand zu nehmen.
Dazu gratuliere ich Ihnen
liebe Susanne Lang und Ihnen lieber Knut-Sören Steinkopf
und allen jungen Männern und Frauen der Aktion
Noteingang für Ihr beispielhaftes Handeln, Ihre
Zivilcourage und ihr Engagement für Völkerverständigung.
Herzlichen Glückwunsch.
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